Jugendhof der Altmark West e.V.
Integrative mobile Erziehungsfachstelle (IMES)
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Integrative mobile Erziehungsfachstelle (IMES) mit mehreren Standorten

Erfahrungsberichte der letzten 3 Jahre mit 3 Jugendlichen im Rahmen von Modellprojekten:

Bei allen 3 Jugendlichen hatten wir ähnliche Voraussetzungen:

  1. Hiesige Jugendhilfemaßnahmen haben nicht mehr gegriffen
  2. Es gab kein Vertrauensverhältnis mehr zur Erwachsenenwelt
  3. Alle waren absolute Schulverweigerer
  4. Alle wollten nicht aus Berlin weg
  5. Alle hatten Erfahrungen mit Drogen
  6. Alle hatten Erfahrungen mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Grundsätzliches bei mobilen Maßnahmen:

  1. Vertrauensbildung durch Kontinuität der Bezugspersonen, auch bei Tandembetreuung
  2. Durch Verfremdung Gegenwelten schaffen
  3. Handlungsorientierte Maßnahmen zur Sichtung von Stärken und Schwächen
  4. Dokumentation der Clearingsphase, auch mit großen Plakaten, die dann den Jugendlichen während der gesamten Jugendhilfemaßnahme begleiten sollen
  5. Intensive, regelmäßige Einbindung der Koordination und JA

Mögliche Standorte für Clearingsphasen:

  1. Ritze, Sachsen – Anhalt
  2. Olhao, Portugal
  3. Naatsaku, Estland
  4. Madonna del Piano, Tessin/Schweiz

Beispiel 1:
Langfristiges Setting im Ausland mit Tandem-Betreuung
Referenz:  Frau Kaatz, Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Tel.: 0049-30-75603933

Für einen 16-jährigen Jungen, der nicht mehr erreichbar war, wurde eine  individuelle Maßnahme, mit einem Auslandaufenthalt konzipiert:

Der Junge wurde durch informelle Wege über diese Möglichkeit informiert, erst beim 3. Termin beim JA war er anwesend und stimmte einer Reise mit B. Herrmann und A. Kankowski zu.

Dann galt als Grundsatz:
Der Maßnahmebeginn sollte unverzüglich nach dem HP-Beschluss beginnen.

Nach Aktenstudie und Infos vom JA und der Mutter hatten wir uns entschlossen, sämtliche, dem Jungen bekannten Verhaltensweisen der Erwachsenenwelt zu verfremden (Verhaltensverfremdung), die bestehenden Muster sollten gebrochen werden. Das führte bei ihm anfangs zu Verwunderung und Irritation, „wieso reagiert der denn nicht“, usw.

Die Maßnahme wurde dann auf Wunsch von allen Beteiligten in Portugal auf 6 Monate verlängert.

Voraussetzung: Transparenz und Vertrauen zum JA und Koordination beim Träger.

Hier hat sich die Tandem-Betreuung bewährt, die Betreuung wechselte nach 3 Monaten.

Die KM, JakuS-Koordination und JA  wurden regelmäßig zumeist per Mail und Telefon informiert.

Besonderheit: die Mutter wurde nach Portugal eingeladen und wurde mit dem Jungen und seiner neuen Situation und Lebensweise konfrontiert.

Der Betreuer zog sich zurück und die Mutter wohnte mit dem Jungen  allein in einem Haus.

Den Flug hatte die Mutter bezahlt und daher war dieser Kontakt machbar.

Nach 6 Monaten war der Junge soweit, selbst zu entscheiden, wo es danach hingehen soll:
Er wollte aufs Land und zog auf den Bauernhof nach Ritze, wo er eine Ausbildung begann.

Die Tandembetreuung ist geblieben, Kontinuität wurde gewährleistet. Mutter konnte weiter eingebunden werden.

Die Finanzierung konnte durch die Langfristigkeit des Aufenthaltes gewährleistet werden (Leistungsentgelt plus 15,-€/Tag). Es stand den Betreuern ein Projektauto zur Verfügung.

An- und Abreise erfolgte mit diesem, sodass schon während der 3-tägigen Hinfahrt das Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte.

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Beispiel 2:
Kurzfristiger Aufenthalt im Ausland mit dem zukünftigen Betreuer
Referenz: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Frau Wolff Tel.: 0049 – 30-75603952

Avisiert war die Unterbringung eines 16-jährigen Jungen in einer Erziehungsfachstelle im ländlichen Raum.

In einem 1. Gespräch beim JA mit der KM wurde der Junge erheblich aggressiv und bedrohte seine Mutter. In einem 2. Gespräch hat er sich bereit erklärt, für 2-3 Wochen nach Portugal zu fahren, aber „aufs Land würde er nie ziehen“.  Der Junge lebte hauptsächlich auf der Strasse, war gewalttätig und ging nicht zur Schule, hat eine sehr starke Bindung zur Mutter.

Auch hier das Prinzip: schnelle Umsetzung nach dem HP-Gespräch.

Bei diesem Jungen hatten wir die Bewegung und Flexibilität angedacht, es wurde ein Auto angemietet um immer in Bewegung zu sein. Wirkung durch Handeln, eine Fahrt nach Afrika konnte aber aus Kostengründen  nicht realisiert werden, aber Spanien wurde besucht.

Mehrmals brach der Junge in Tränen aus, konnte seine Situation nicht begreifen, rannte einmal weg und wurde auch aggressiv.

Besonderheit: der Koordinator reiste zur Krisenintervention nach Portugal.

Nach 3 Wochen reiste der Betreuer mit dem Jungen in die Erziehungsfachstelle nach Dahlenburg, nahe Lüneburg.

Der Junge geht wieder zur Schule, wurde sogar versetzt und hat keine einzige Fehlstunde.

Die Mutter ist weiterhin eingebunden, wobei dieser Kontakt sich nicht unkompliziert gestaltet.

Hier konnte ebenfalls die Betreuungskontinuität gewährleistet werden.

Zur Finanzierung: da der Vorschlag dieser Reise spontan während des HP-Gespräches stattfand, konnte lediglich eine zusätzliche Finanzierung von 1000,-€ erwirkt werden.

Die Krisenintervention des Koordinators wurde nicht finanziert.

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Beispiel 3:
Kurzfristiger Aufenthalt im Ausland mit dem Koordinator, d.h. nicht mit dem zukünftigen Betreuer
Referenz: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Herr Schmidt Tel.: 0049-30-75603951

Hierbei handelte es sich um einen 12-jährigen Jungen, dessen Mutter aufgrund von Alkoholkonsum verstarb. Der Vater starb, als er 2 Jahre alt war. Der Junge war starker Raucher, Kiffer und trank Alkohol, lebte auf der Strasse und kannte die entsprechenden Gesetze/Spielregeln der Strasse. Eine Schule kannte er von innen nicht.

Die Kontaktaufnahme fand in der Kinder- und Jugendpsychiatrie statt. Nach mehreren Besuchen des Koordinators in der Klinik und mit der Durchführung von Freizeitaktivitäten hatte sich der Junge bereit erklärt, die Reise nach Portugal anzutreten.

Hier war klar, dass die Betreuungskontinuität nicht gewährleistet werden konnte, daher wurde eine intensive begleitende Übergabe in die Erziehungsstelle im ländlichen Raum avisiert.

Neuigkeitscharakter hatte für uns die Trauerarbeit mit dem Jungen, hier hatte sich das Personal vorher entsprechend sachkundig gemacht.

Der Junge fühlte sich auf der einen Seite erleichtert, war auch voller Schuldgefühle gegenüber dem Tod seiner Mutter. Wegen Suizidgefahr musste der Koordinator mehrere Nachtschichten vor seinem Bett einlegen.

Die Übergabe in die Erziehungsstelle erfolgte mit täglichem Kontakt zum Koordinator, der kontinuierlich abgebaut wurde.

Trotz alle Zweifel ist er in der Erziehungsstelle angekommen. Über den Aufenthalt in einer Tagesklinik konnte er jetzt in eine Sonderschule eingeschult werden.

Er möchte jetzt bis zum 25. Lebensjahr in der Erziehungsstelle im ländlichen Raum bleiben.

Über eine Stiftung konnte er an einer Delphintherapie an der Algarve teilnehmen und somit den Tod der Mutter, die Delphine geliebt hatte, ein wenig aufarbeiten.

Ausblick
Alle drei Jugendhilfemaßnahmen wurden verschieden gestrickt und führten zum Erfolg. Es gilt nun, diese Module und auch noch weitere, so zu beschreiben, dass diese  Allgemeingültigkeit erlangen und auch in finanziert werden können.

Des Weiteren werden wir die Anforderungen an das Personal differenziert beschreiben.

Außerdem wird eine eventuelle Rückführung in die Familie berücksichtigt.